KPM – KÖNIGLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR BERLIN
BRAND EXTENSION PAR EXCELLENCE, BIS AUF EIN BEISPIEL
KPM, die Königliche Porzellan-Manufaktur zeigt, wie man das Thema der Brand Extension mustergültig umsetzt. Nur in einem Fall ging der Wunsch, feine Tradition mit Zeitgeist zu verbinden, leider daneben.
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Eine Case Study, wie man als Porzellanmanufaktur mit jahrhundertalter Tradition heute und in Zukunft erfolgreich sein kann
KPM, die Königliche Porzellan-Manufaktur, der die Insolvenz drohte, hat dank des Bankiers Jörg Woltmann, der die Manufaktur 2006 von einer Investorengruppe übernahm, ein zweites Leben erhalten.
Jörg Woltmann führt KPM nun als Familienunternehmen und versteht es mit seinem Team glänzend, die Kernwerte der Marke zu erhalten und sie erfolgreich in die Gegenwart und Zukunft zu führen. Eine Case Study für viele Porzellanmarken, die auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken, jedoch in der Gegenwart um ihr Überleben kämpfen.
Das möglichst vollständige „gute“ Service hat für die Mehrzahl der jungen Käufer seinen Wert verloren. Im Lifestyle-Fragebogen beantworten Trandsetter und jene, die sich dafür halten die Frage: „Besitzen Sie ein vollständiges Service?“. gerne mit „Ja, ein geerbtes und ansonsten liebe ich es, individuelle Teile zusammenzustellen“ Diese politisch korrekte Antwort, Vintage cool mit IKEA zu mixen, bedeutet in der Konsequenz wenig Umsatz für eine Porzellan-Manufaktur auf so hohem Niveau wie KPM.
Die Erfolgsfaktoren der Marke KPM
Kulturgut
KPM hat es verstanden, die Marke als Kulturgut der Stadt Berlin und damit als Kulturgut für Deutschland zu positionieren. Das hat in Berlin bei der finanziellen Rettung der Manufaktur Gehofen und ist bis heute ein brillanter Markenfaktor. Nicht selbstverständlich, da so manche Politikern, im Hinblick auf potentielle Wählerstimmen Quantität vor Qualität den Vorzug geben.
Das Geschenk beim Besuch des damaligen amerikanischen Präsidenten Obama in Berlin war selbstverständlich ein Modell des Brandenburger Tors aus der KPM Manufaktur. Der Bundespräsident lässt beim Gala-Dinner von KPM Porzellan speisen und in der ein und anderen deutschen Botschaft könnte man das KPM Logo sehen, würde man den fauxpas begehen, beim Staatsbankett den Teller zu wenden.
So verbindet sich geschickt die Porzellanleidenschaft von König Friedrich II von Preußen, der die Manufaktur 1763 erwarb, mit dem heutigen hippen, coolen Image von Berlin. Der königliche Eigentümer ließ beim Kauf der Porzellanmanufaktur gleich 21 Tafelausstattungen für seine königlichen Schlösser anwenden und setzte schon damals das feine Porzellan gerne als diplomatisches Geschenk ein.
Die Produktion des Porzellans im Berliner Bezirk Tiergarten, beim Vorbeilaufen kann man durch die Fenster in die Manufaktur sehen, ist aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen für den Controller ein Alptraum. Denn aus Immobiliensicht handelt es sich in dieser zentralen Lage um eines der wertvollsten Filetstücke.
Für die Marke hingegen ist die Manufaktur mitten in der Stadt Berlin ein unschätzbarer Wert, der entsprechend für Führungen, Kunstinstallationen und Sommerfeste genutzt wird. Für jeden Käufer stellt der Verkaufsraum, Tür an Tür mit der Herstellung, bei dem auch der Schornstein zur modernen Kunstinstallation wird, einen kaufbestätigenden Reiz dar.
Positionierung und Fokussierung
Die lebenslange Nachkaufgarantie hat Tradition bei hochwertigen Porzellanserien. Dieses sehr kundenorientierte Versprechen führt jedoch zu einem immensen Kostenaufwand.
Betrachtet man das aktuelle Sortiment der Porzellanserien von KPM, bemerkt der Kenner die Fokussierung auf bestimmte Linien im Vergleich zum früheren umfangreicheren Sortiment. Die Reduktion macht betriebswirtschaftlich Sinn, um überleben zu können. Sie ist markenstrategisch gelungen, denn KPM konzentriert sich auf die Serien, die einen wichtigen Teil ihrer Marken DNA ausmachen. Es bereitet jedem Markenstrategen das reinste Vergnügen zu sehen, mit welcher Meisterschaft, die Marken DNA bewahrt wird und gleichzeitig immer wieder neu, im Sinne des Markencharakters, variiert wird.
Ein Beispiel für die Wahrung und gleichzeitige Modernisierung der Marken DNA
Trude Petri entwarf 1931 das Service URBINO. Im Sinne des Bauhaus Gedankens stellt das Service die Funktion in den Vordergrund und ist in seiner Schlichtheit zeitlos. Diefrühere Mitarbeiterin von KPM ging später nach Chicago und fertigte auch in den Vereinigten Staaten weiter Entwürfe für KPM. URBINO ist mittlerweile ein Dauerexponat im Museum für Modern Art (MoMa) in New York.
KPM weist dezent darauf hin, Glorious Brands spricht Klartext: 1931 war es keineswegs selbstverständlich war, dass sich der Porzellanentwurf einer Frau, der zudem mit der Produktion des sogenannten Coupeteller, der in seiner Fläche bis zum Rand keine Unterbrechung aufzeigt, eine Neuheit war, gegen viele andere durchgesetzt hat und tatsächlich produziert wurde.
KPM hält diese Tradition wach: Zum hundertjährigen Bauhaus-Jubiläum wurde vom KPM Designteam eine Sonderedition entwickelt. Mit Thomas Maier, der als Creative Director die verstaubte Marke Bottega Veneta zu einem wichtigen Teil des Kering-Konzerns entwickelt hat, wurde eine Serie von URBINO entwickelt, auf dem das Intrecciatio (Flechtmuster), das wiederum ein wichtiger Teil der Marken DNA von Bottega Veneta darstellt, mit Handmalerei aufgetragen wird.
Ein hervorragendes Beispiel von Markenkooperation und Brand Extension. Die Kombination dieser beiden Unternehmen, die Manufakturkunst bewahren, ergänzt sich synergetisch. Das Ergebnis URBINO Intreccia Savanito sieht bestechend elegant aus und macht für die Käufer und potentiellen Käufer von KPM und Bottega Veneta sofort Sinn.
Auch die Entwürfe einer weiteren Frau, Maguerite Friedlaender-Wildenhain, HALLE, entworfen 1929, werden im Originalentwurf und mit einem Bauhaus-Tapetenmuster versehen, in einer limitierten Auflage, geschickt zur Positionierung der Marke genutzt.
Mitarbeiter als Markenbotschafter
Der persönliche Service im Verkauf ist entscheidend. Hier steht und fällt das gesamte Markenkonzept. Der Spirit im Verkaufsraum in Berlin Tiergarten ist geprägt vom Inhaber, der mehrmals in der Woche diesen Raum besucht, jeden Mitarbeiter dort begrüßt und Wert darauf legt, dass Mitarbeiter die Markenwerte und Historie von KPM kennen. So erfährt der Kunde, während der Mitarbeiter die erstandenen Porzellan Teile nochmals kurz prüft und sorgfältig per Hand einpackt, Interessantes und Wissenswertes über KPM.
Die Mitarbeiter werden im Kundenmagazin vorgestellt und eines der prägendsten Bilder zur Markenpräsentation ist das Bild eines Arbeiters aus der Manufaktur, der im blauen Arbeitskittel, mit seinen von Handarbeit deutlich gezeichneten Händen den französischen Korb hält, eines der ikonischen Porzellanteile von KPM. Ein Bild, das um ein vielfaches überzeugender wirkt als jedes Bild einer Influencerin oder eines selbsternannten Lifestyle-Gurus.
Brand Extension – das aktuelle Musterbeispiel KPM Hotel und Residences
Im Herbst 2019 wurden die KPM Hotel und Residences eröffnet. Eine perfekte Umsetzung der Markenstrategie, denn was liegt näher als den Markencharakter der schönen Momente, der Gastlichkeit und des Stils auf ein Hotel zu übertragen.
Aber, der Grundgedanke der Marke muss sich auch im Hotel erleben lassen, ansonsten wäre die Brand Extension nur ein oberflächliches Etikett, wie es sich in allen Branchen bei Brand Extensions zu Hauf finden lässt.
Hier ist es gelungen: Angefangen vom ausnehmend freundlichen Service am Empfang, auf dem eine KPM Vase geschickt als optischer Ankerpunkt dient, über die kleinen Lounge-Bereich, dessen dunkelgraue Wände mit KPM Figurinen perfekt inszeniert sind, findet man auch hier eine geglückte Kombination von Tradition und Moderne. Figuren der griechischen Mythologie von KPM sind auf der grauen Wand perfekt inszeniert, während man in modernen aber ansprechend gemütlichen Interieur den wohlvertrauten Ton einer der besten italienischen Barristamaschinen hört, oder am Abend, aus KPM Porzellan (selbstverständlich) bei einer Tasse Tee, noch kurz einen Blick in die Zeitung wirft und den Abend entspannt ausklingen lässt.
Jeder Vielreisende kennt sie nur zu gut: Die endlosen Hotelgängen, die auch durch lebhafte Teppiche nichts an Reiz gewinnen, sondern fast immer trist, dunkel und trostlos wirken. In den KPM Hotel und Residences ist der Hotelgang mit schlichten, aber eindrucksvollen Effekten, ein optischer Genuss. Im Hotelzimmer stören keine grauenvollen Zeitschriften, Touristenführer oder Fernsehprogramme.
Der Gast betritt das Zimmer und befindet sich sofort in einer Umgebung, die souveräne Ruhe vermittelt und zugleich mit wohlüberlegten Akzenten inspiriert. Der Reisende, der schon viel gesehen hat, nimmt mit großem Vergnügen wahr, dass sich diese Zimmer vom sonstigen Einheitsdesign unterscheiden.
Von der Gestaltung des Bads bis zu den bodenlosen Fenstern, die nicht nur in der obersten Etage, sondern in allen Hotelzimmern zu finden sind, strahlen diese Zimmer modernen Stil aus und überzeugen durch die hohe Qualität der Materialien, die in Zimmer und Bad verarbeitet sind. Ein visueller und haptischer Markeneindruck, der für die Qualität der Porzellanmanufaktur steht.
Während man sonst in einer Metropole wie Berlin geneigt ist, das Zimmer so schnell wie möglich zu verlassen, hält man sich in diesen Zimmern gerne länger auf. Der perfekt gestaltete Schreibtisch hat ausreichend Platz für zwei Laptops, verbirgt die notwendigen aber hässlichen Anschlüsse dezent, hat selbstverständlich neueste Technologie parat und lädt damit förmlich zum Arbeiten ein.
Schaltet der müde Gast am späten Abend das Fernsehgerät ab, begleitet ihn für einige Minuten auf dem Fernsehschirm das Bild des KPM Arbeiters mit der Blumenschale in den Schlaf.
Selbstverständlich, im Sinne einer guten Markenführung ist auch, dass die Mitarbeiter der KPM Porzellanmanufaktur das Hotel besichtigt haben und so mit Eindrücken vor Ort die Markenbotschaft im Gespräch mit Kunden überzeugend weitertragen können.
So bitte nicht
Aber, auch KPM ist in der strategischen Markenführung nicht unfehlbar. Die Kooperation mit Birkenstock ist das Gegenbeispiel zur sonstigen Meisterschaft der Brand Extension. Mittlerweile weiß auch derjenige, der sich sonst nicht für Mode interessiert, dass die einstigen biederen Gesundheitsschuhe von hippen Zeitgenossen in Berlin, München und Los Angeles nicht nur zum Besuch im Ultra-hippen Drip-Coffee-Shop getragen werden, sondern selbstverständlich auch zum Nadelstreifenanzug und Vintage-Kleid.
Eine limitierte Birkenstock Schuhkollektion zeigt Porzellanelemente von KPM in goldener Farbe auf schwarzen Birkenstock Schuhen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Kooperation Sinn macht, neue Zielgruppen zu erschließen, die noch nie den Onlineshop oder die Verkaufsräume von KPM betreten haben.
Vergessen hat man offensichtlich, dass die beiden Markenkerne von KPM und Birkenstock unvereinbar sind: Auf der einen Seite ausgefeilte Ästhetik rund um das Thema Essen und Designobjekte wie Vasen, die mit Ikebana Kunstwerken das von Mies van der Rohe entworfene Landhaus Lemke in Berlin Weißensee in Perfektion inszenieren. Auf der anderen Seite ein Schuh, der überwiegend im Sommer und meist ohne Socken getragen, den Träger oder die Trägerin überall hinbegleitet, vom S-Bahnhof bis … We won’t go further into that.
Diese Brand Extension hilft der Marke KPM nicht. Im Gegenteil, sie schwächt die Marke in hohem Maße und wirkt wie ein verzweifelter Versuch, neue Kundenschichten zu erschließen. Der Brand Stretch vom Muster auf den Birkenstocks bis zum Porzellan ist eindeutig zu weit und nicht komplimentär. Das hat die souveräne Marke KPM nicht nötig.
Besser so: To-go
Aus der sehr traditionellen Porzellanserie Kurland einen Becher To -go zu produzieren ist hingegen ein perfekter Schachzug. Tradition, Zeitgeist, Umweltbewusstsein, Ästhetik, Differenzierung, Präsentation der Marke im neuen Umfeld. Perfekt. Die Umsatzzahlen sprechen für sich und bestätigen den Weg von KPM und die sonstigen Bestnoten im Bereich der strategischen Markenführung und des Markenauftritts.
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